Offen und angefangen, Eingangshalle

Der Wind flüstert leise an ihr vorbei, ins Schloss hinein. Tief im unbekannten Dunkel antwortet Blätterrascheln und das helle Klingeln von Glas und vielen kleinen Glöckchen, ein träges Rasseln und Bimmeln. Der Lichtschein von der Eingangstür reicht nicht besonders weit. Ein paar Teppichkanten tauchen aus dem Dämmer auf, ein wuchtiges Möbel zu ihrer Rechten kann sie erahnen.

Wie groß der Raum vor ihr ist, kann sie nicht sehen. Dass Echo der Geräusche verrät aber, dass er recht hoch und weitläufig sein muss. Sie macht einige Schritte hinein, auf die Teppiche zu. Das Möbelstück entpuppt sich beim Näherkommen als Kommode. Ein schweres Buch und jede Menge Staub liegen darauf. An der Schmalseite, die zur Tür zeigt, sind Abdrücke im Staub, der Lack der Kommode schimmert hier durch und glänzt im Gegenlicht auf. Als hätte jemand etwas von dort aufgenommen im Vorbeigehen.

Zaghaft tastet sie sich hinüber und an der Wand entlang weiter, bis sie einen weiteren Türgriff findet. Sie zieht die Tür auf.
Licht flutet in die Halle, mehr Staub wirbelt auf und flimmert im Licht. Für einen Moment ist sie geblendet. Doch als sie sich an die Helligkeit gewöhnt hat, liegt ein gemütlicher kleiner Salon vor ihr. Hell und mit großen Fenstern, die Wände mit Holz vertäfelt und mit aufwändig geknüpften Teppichen auf dem Boden. Die Möbel hier sind zierlich und üppig bestickten Kissen hergerichtet, ein kleiner Schreibtisch schmiegt sich gegenüber der Tür unters Fenster. Der Kamin an der Stirnseite des Zimmers ist aus Marmor und Rosen sind hineingemeißelt. Bücher und kleine Statuen finden sich in einem schlanken Regal und eine große Harfe steht etwas abseits der Sitzgruppe neben dem Kamin.

Die Neugier packt sie und sie wirbelt herum, zurück in die Halle. Hier tauchen nun mehr Details aus dem Dämmer auf, weitere Türen entlang der Wände, eine gewundene Treppe an der fernen Seite des Raums. Gemälde und Wandbehänge, Podeste, auf denen Vasen stehen. Zwei große Lüster an der Decke. Einer wuchtig und aus Metall, der andere ein schieres Wunder. Muscheln und Schneckenhäuser, Perlenschnüre und Kristalle, darüber wundersam gedrehte weiße Kerzen und silberne Fransen, die leise im Luftzug klingeln. Das Licht aus dem Salon fängt sich darin und spielt über den Boden. Sie ist so verzaubert vom Anblick des Leuchters, dass sie den Schatten auf der Treppe nicht sieht.

Die Gestalt des Wesens dort ist gebeugt und wuchtig, schwer auszumachen unter den vielen Stacheln seines Panzers und den zahlreichen Falten des dunklen Umhangs, das Haar hängt dunkel und wirr über dem Gesicht. Nur die Augen leuchten hervor, blass und unwirklich.

Sie erschrickt fürchterlich, als seine Stimme durch die Halle grollt.

 "Bleibst du?"

Zurücktaumelnd findet sie den Schemen mit ihrem Blick. Sie starrt ihn an, erschrocken und sprachlos.

Als sie nicht antwortet knurrt das Wesen und wiederholt die Frage in scharfem Ton: "Bleibst du?"

Ihre Gedanken vor Schreck und Angst sind so gelähmt wie ihr Körper, doch irgendwas in ihr gibt ihr ein leises, gestammeltes "Ja" auf die Lippen. Bevor sie begriffen hat was sie da gesagt hat, spricht der Schatten weiter:

"Gut. Eine Gesindekammer neben der Küche kannst du haben. Hier, erledige das, dann lass ich dich am Leben." 

Damit klatscht ihr ein Bündel Papier vor die Füße und der Fremde stapft davon. Auf der Treppe scharren seine Tritte wie Krallen und die Panzerplatten krachen bei jedem Schritt gegeneinander. Irgendwann schluckt die Stille das Rumpeln und sie erwacht aus ihrer Starre. Unmerklich kehrt mit seinem Verschwinden das Licht in die Halle wieder ein.

Das Bündel auf dem Boden entpuppt sich als eine lange Liste mit Aufgaben...