Dienstag, Juli 22

Nelke und Schlüssel

Die Nelke liegt sorgfältig getrocknet und zwischen zwei Blättern Seidenpapier in einem kleinen Büchlein auf der Kommode an ihrem Bett. Daneben ein Windlicht auf einem Spitzendeckchen, ein kleiner bronzefarbener Schlüssel in einer Perlmutterschale. Das Abendlicht fängt sich darin und wird in viele irisierende Regenbogenschlieren aufgefächert, verteilt sich und schimmert auf dem Schlüssel.

Ein sanftes Klingeln tönt vom Leuchter in der Halle herein. Der Wind spielt durch die offene Eingangstür und streicht durch die Perlen und Kristalle. In Tausendschöns Kammer bauscht er die langen Vorhänge. Sie ist nicht da. Durchs Fenster sieht man sie im Garten stehen, das Licht der Abendsonne malt einen goldenen Kranz um ihren Kopf, wo es sich in den Haaren fängt. Man kann nicht erkennen was sie tut.

Ihre Haltung ist entspannt, aber auf diese besondere Art, die zeigt, dass die Entspannung auf einen harten und anstrengenden Tag folgt. Rußspuren finden sich an ihren bloßen Unterarmen, das Haar ist zerzaust, Rock und Schürze zerknittert. Bald ist die Sonne weg und sie wird zurückkehren in die Sicherheit der Schlossmauern.

Und er steht da, an die Wand neben den Türrahmen gelehnt und betrachtet sie durchs offene Fenster.