Samstag, Mai 24

Dreimal wechselt der Mond

Der Dörnröschenschlaf ist vorbei. Schwere Ranken sind am Schloss hochgekrochen. Sie erinnert sich kaum an die letzen hundert Tage. Rückzug, Verstecken, immer wieder Zweifel, die aus der Dunkelheit nach ihr grapschen. Seine Stimme, die Flüche wettert, Verdamnis und Zerstörung speit und die Schatten wie Teer über die Wände des Schlosses zerrt und kleistert.

Irgendwann ist sie müde geworden und eingeschlafen. Und die Welt hat sich weiter gedreht und weiter und weiter. Die trägen Beine haben sie von der Kammer in die Küche getragen, hinauf in die Galerie und hinunter in die kalten Keller, über Schlupfwege, Mauersimse und düstere Stiegen. Alles war voll staubiger Sonnenstrahlen in leeren Hallen, Augen und Klauen hinter der nächsten Ecke, Verrat und Trug hinter lächelnden Masken.

Als sie aufgewacht ist, ist sie in die Sonne hinaus gelaufen und hat die Hitze umarmt. Und lange Ketten zerrten beim Laufen an ihren Füßen.

Als sie aufgewacht ist, hat sie aus dem gleißenden Licht in die Eingangshalle zurückgeschaut und er stand da. Alles Panzer und Stacheln und Abwehr und Schmerz. Und er hielt die Ketten in Händen.